The Main Event: Die Sinatra-Infothek seit 1999

Stirb Langsam - Frank Sinatra ist Joe Leland

Der pensionierte Joe Leland vom New York Police Department besucht an Heiligabend das 40-stöckige Bürohaus der „Klaxon Oil Corporation in Los Angeles„, wo seine Tochter Stephanie Leland Gennaro arbeitet. Während im Bürogebäude noch eine Weihnachtsfeier stattfindet, stürmen die deutschen Terroristen „German Autumn„ den Wolkenkratzer.

Als „Deutscher Herbst" wird die Zeit und ihre politische Atmosphäre in der Bundesrepublik Deutschland im September und Oktober 1977 bezeichnet, die geprägt durch Anschläge der Roten Armee Fraktion (RAF) war. Die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers und die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs Landshut fallen in diese Zeit.

Angeführt wird die Bande vom brutalen Anton "Little Tony the Red" Gruber. Leland schafft es zunächst unentdeckt in dem gigantischen Bürokomplex zu bleiben. Nur mit seiner Polizeipistole bewaffnet und unterstützt vom Polizeioffizier Al Powell versucht Leland die 74 Geiseln sowie seine Tochter und Enkelkinder zu retten. Leland tötet elf der Terroristen, aber am Ende gelingt es ihm nicht, seine Tochter zu retten, die mit Gruber in den Tod fällt, nachdem dieser von Leland erschossen wurde. Als Leland wieder auf der Straße ist, kehrt der letzte Terrorist „Karl", der für tot gehalten wurde, zurück und beginnt einen Amoklauf, bei dem der Polizeichef Dwayne Robinson getötet wird. Karl war Grubers rechte Hand. Kurz vor Beginn des Romans tötet Leland seinen jüngeren Bruder Hans und während des restlichen Romans will Karl nichts mehr als Lelands Tod. Es kommt zum Showdown zwischen Karl und Joe Leland. Als Karl sein Gewehr zieht, um Leland zu töten, wird er von Officer Powell erschossen.

Als Sinatra-Fan sollte man bereits beim ersten Satz dieses Artikels aufmerksam geworden sein, denn „Joe Leland" war Frank Sinatras Rolle in „The Detective/ Der Detektiv" aus dem Jahre 1968. Das Drehbuch von Abby Mann basiert auf dem Roman „Hartnäckig" von Roderick Thorp aus dem Jahre 1966. Das Buch war äußerst beliebt, blieb eine Zeitlang auf den Bestsellerlisten und machte Thorp einen Namen – auch der Film lief gut an der Kinokasse. Roderick Thorp entschied sich einen Fortsetzungsroman zu schreiben, damit es in einem Folgefilm mit Frank Sinatra als Joe Leland verfilmt werden könnte. 1979 war der Roman mit „Nothing Lasts Forever" fertig. Die Einleitung gibt einen groben Überblick des Romans wieder.

1988, knapp 10 Jahre nach Veröffentlichung des Buches, wurde das Filmprojekt in Angriff genommen und die Produzenten hofften darauf, dass Sinatra als Leland für die Fortsetzung zurückkehren würde. Es heißt auch, dass der Film technisch eine Fortsetzung war und man daher vertraglich verpflichtet gewesen sei, Frank Sinatra die Hauptrolle anzubieten. Sinatra - damals 73 Jahre alt - lehnte das Angebot aber ab.

Aber auch dem Nicht-Sinatra-Fan sollte die obige Buchbeschreibung bekannt vorkommen, denn der daraus resultierende Film wurde 1989 in vier Kategorien für den Oscar nominiert: bester Ton, bester Tonschnitt, bester Schnitt und beste visuelle Effekte. Das Skript wurde nun zu einem eigenständigen Film ohne Verbindung zu Thorp' Roman umgebaut und das Ausgangsmaterial nicht sehr genau verfolgt. Dennoch werden einige seiner denkwürdigen Szenen, Charaktere und Dialoge direkt aus dem Buch adaptiert. Nachdem Sinatra die Rolle ablehnte, wurde sie Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone, Burt Reynolds, Harrison Ford, Mel Gibson und Richard Gere angeboten, bis schließlich Bruce Willis für die Rolle unterschrieb.

Zu den größten Veränderungen im Film, der nun in „Stirb Langsam / Die Hard" umbenannt wurde, gehörten, dass der ältere Held des Romans nun deutlich jünger wurde und sich sein Name von "Joe Leland" in "John McClane" änderte. Er kam nun in den Wolkenkratzer um seine Frau zu besuchen, von der er seit einem halben Jahr getrennt lebte. Aus der amerikanischen "Klaxon Oil Corporation" wurde die japanische "Nakatomi Corporation" und die "Terroristen" im Film sind professionelle Diebe, die nach 640 Millionen Dollar in handelbaren Inhaber-Anleihen im Gewölbe des Gebäudes suchen und sich nur als Terroristen ausgeben, um vom Raub abzulenken.

Der Roman zeigt anders als der Film auch Frauen unter den Terroristen. Der Gesamtton des Romans war viel dunkler, mit zugrunde liegenden Themen wie Schuld, Alkoholismus und der Komplexität eines gestörten menschlichen Geistes. Das Ende des Romans ist auch insofern anders, als es darauf hindeutet, dass die Wunden, die Joe erlitten hat, so schwer waren, dass er ihnen möglicherweise erliegen und sterben könnte. In ähnlicher Weise erklärte Willis 1988 in einem Interview mit dem Unterhaltungsreporter Bobbie Wygant von KXAS-TV, dass er McClane mit genügend Angst und Verletzlichkeit ausgespielt habe, um das Publikum glauben zu lassen, dass er möglicherweise aufgrund dessen, was in der Geschichte passiert ist, getötet werden könnte, da Joseph Leland möglicherweise an seinen Verletzungen in dem Buch gestorben sein könnte. Als wären dies nicht schon Änderungen genug, weicht auch die deutsche Synchronfassung vom amerikanischen Original ab. In der amerikanischen Originalversion handelt es sich bei den Verbrechern, die das Hochhaus in ihre Gewalt bringen, zum Großteil um ehemalige deutsche Mitglieder der fiktiven „Radical West-German Volksfrei Movement„. Ihre Verständigung erfolgt meist auf Englisch, teilweise aber auch in bruchstückhaftem Deutsch mit amerikanischem Akzent. In der deutschen Synchronversion werden sie in eine europäische Gruppe Krimineller umgedeutet; möglicherweise radikale Iren, da die meisten der Namen englisch sind. Aus Hans wird Jack, aus Karl wird Charlie usw.. Allerdings notiert sich McClane in einer Szene die Namen einiger Terroristen in Originalform auf den Unterarm, als (so das deutsche Skript) Spitznamen von bösen Märchenfiguren.

Jetzt könnte ich den Artikel schließen mit der Frage, wie wohl "Yippie Yah Yei Schweinebacke!" (engl. "yippie kay yay motherfucker") aus Sinatras Mund geklungen hätte und ich denke der eine oder andere fragt sich das gerade, doch möchte ich den Kreis schließen mit einer kleinen Anekdote. Denn es gibt tatsächlich einen direkten, weiteren Bezug zwischen Bruce Willis und Frank Sinatra. So feierte Bruce Willis ausgerechnet mit Sinatra sein Filmdebüt. In einer Komparsen-Rolle tauchte Willis 1980 zum ersten Mal in dem Krimi „Die erste Todsünde" auf. Für nur wenige Sekunden huscht Willis in einer Szene über das Bild, in der Edward Delaney (Frank Sinatra) ein Diner verlässt und Bruce Willis Figur dieses betritt.

© Andreas Kroniger für Sinatra - The Main Event, 2023 (Der Artikel erschien in der Voice 61 der Deutschen Sinatra Society)

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