There Used To Be A Ballpark
Titel
There Used To Be A Ballpark
Text & Musik
Musik & Text: Joe Raposo (1973)
Main Event Infos
- Geschichte
- Übersetzung
- Diskographie
Seinen im Frühjahr 1971 verkündeten kompletten Rückzug vom Showgeschäft hat Frank Sinatra bekanntlich nicht lange durchgehalten – schon zwei Jahre später, im Frühsommer 1973, kam sein „Rückzug vom Rückzug“, als er mit den Aufnahmen für ein neues Reprise-Studioalbum begann, das zunächst den Titel „Let Me Try Again“ tragen sollte, dann aber unter der ungleich passenderen Überschrift „Ol’Blue Eyes Is Back“ im September 1973 herauskam und es bis auf Rang 22 in den Billboard-Charts brachte.. Passender war dieser erst im letzten Moment abgeänderte LP-Titel auch deswegen, weil The Voice, mit seinen vorherigen Aufnahmen aus drei Jahrzehnten bereits zu einem Jahrhundertsänger geworden, nichts mehr „versuchen“ mußte – „Ich bin wieder da!“ war die treffendere und ehrlichere Umschreibung. Denn zu keinem Zeitpunkt seiner Karriere hat sich Sinatra auf seinen Lorbeeren ausgeruht, immer trieb es ihn vorwärts, in einer Mischung aus allgemeiner Unruhe und künstlerischem Drang nach „Neuem“. Eine Mischung, die die Grundlage seines unvergleichlichen Erfolges über die „Sparten“ hinweg bildete – und die sich jetzt 1973 auch darin zeigte, daß er auf seinem Comeback-Album ausschließlich Stücke präsentierte, die neu für ihn geschrieben worden waren bzw. die er noch nie vorher gesungen hatte.
Das größte Vertrauen setzte Sinatra dabei in den damals 36jährigen Joe Raposo (1937-1989), der gleich fünf neue Lieder für das Comeback-Album komponierte (einer davon, „The Hurt Doesn’t Go Away“, blieb dann außen-vor und wurde nur als Single veröffentlicht).
Raposo war der Sohn portugiesischer Einwanderer und hatte, im US-Bundesstaat Massachusetts aufgewachsen, das Harvard College absolviert, bevor er sich ins Musikgeschäft stürzte. Er arrangierte und komponierte erfolgreich am New Yorker Broadway ebenso wie für die Filmstudios in Hollywood – und er war einer der „Gründerväter“ der weltweit bekannten Kinderfernsehserie „Sesame Street“ („Sesamstraße“). Das von ihm für den ‚Muppet‘-Frosch Kermie gemünzte „(It Isn’t Easy) Bein’Green“ (1970) hatte Sinatra noch im selben Jahr auf seinem Reprise-Album „Sinatra & Company“ gecovert. Raposo gewann außer einer Oscar-Nominierung insgesamt fünf Grammies und dazu einen Emmy (den Fernseh-Oscar). An Lymphdrüsenkrebs erkrankt, starb Raposo im Alter von nur 52 Jahren.
Zu den von Raposo 1973 für Sinatra neu geschriebenen und von The Voice im Juni 1973 eingespielten Liedern gehört „There Used To Be A Ballpark“ – eine Aufnahme (= Version #1), die selbst bei eingefleischten (oder selbsternannten) Kritikern seines damals durchaus heiß diskutierten Comebacks bzw. seiner in der „Auszeit“ rauer gewordenen Stimme (und darüber hinaus bei Sinatra-Freunden weltweit sowieso) mit zum Besten gezählt wird, das Frank Sinatra jemals im Studio aufgenommen hat.
Die „Mischung“ stimmte eben – ein neues Lied, ein neuer Text von einem Nachwuchskomponisten, gepaart mit einem Arrangement von Sinatras seit Capitol-Tagen gerade bei melancholischen Streicher-Balladen bewährtem langjährigen Weggefährten Gordon Jenkins (1910-1984), der auch das Orchester bei der Aufnahmesession leitete, und das alles unter der Produzenten-Ägide von Don Costa (1925-1983), der seit Anfang der Sechziger Jahre für Sinatra arbeitete und gegen Ende des Jahrzehnts zu Sinatras "Hausarrangeur" aufgestiegen, aber auch in der Produktionssparte für FS tätig war.
Ab Januar 1974 ging Sinatra dann auch wieder auf Konzertreisen, und ein erster Höhepunkt war sein Auftritt in der New Yorker Carnegie Hall am 8. April 1974, vor einem mit vielen Kollegen und Stars durchsetzten Publikum und (als Benefiz) zugunsten des Variety Club. Zum Programm des Abends zählte auch „There Used To Be A Ballpark“ (=Version #2), wie das gesamte Konzert aufgezeichnet von Reprise Records, Sinatras Plattenfirma, die aus dem Abend ein 2-LP-Set produzieren wollte. Als die ersten Testpressungen vorlagen, gabs aber ein ‚Veto‘ von Sinatra - die Aufnahmen sind bis heute offiziell unveröffentlicht geblieben, wenngleich einige der LP-Testpressungen kursieren. Sie zeigen, daß Sinatras Bedenken jedenfalls nicht auf „There Used To Be A Ballpark“ beruhen konnten, das er hier streckenweise sogar noch pointierter bringt als in der Studioaufnahme.
Außer am Tag nach dem Carnegie-Hall-Konzert bei einem Auftritt im Nassau Coliseum in Uniondale (US-Bundesstaat New York) hat Frank Sinatra das Lied dann nur noch ein einziges Mal live gesungen – 13 Jahre später, im April 1987, im „Golden Nugget“ in Las Vegas.
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Der New Yorker Radiomoderator Jonathan Schwartz, seit Jahrzehnten bekennender Sinatra-Fan und Gastgeber zahlloser Sendungen mit FS-Musik, schrieb 1990 über Sinatras Studioaufnahme, sie sei „strikingly metaphorical for Sinatra“ – und traf damit, nomen est omen, ins Schwarze.
Denn der Song, den Raposo für Sinatra schrieb, kombiniert Sinatras persönliche Begeisterung für den (Baseball-)Sport mit seiner spätestens seit den 50er Jahren bekannten Stärke im Singen trauriger, melancholischer Songs. Klassisch schon die Szenerie: Das alte Stadion ist abgerissen, und damit sind auch die ‘guten alten Zeiten’ nurmehr Erinnerung – “klassischer”, im Sinne der von Sinatra verkörperten Balladentradition, geht es eigentlich gar nicht mehr. Jenkins’ Arrangement – da zeigt sich sein auch auf dem Gebiet der klassischen Musik ausgewiesenes Talent - ist meisterhaft (zum Beispiel der Background zu “with the fireworks /exploding/ all across/ the summer sky”), und Sinatras gereifte Comeback-Stimme, im rauheren Timbre aber immer noch unverwechselbar auf der Melodie gleitend, verwandelt einfachste Bilder in lyrische Gemälde (“and the skyyyyyy has got so cloudyyyy” --- an dieser Stelle kommen wunderbar “wolkige” Streicher-Klangbilder im Arrangement von Jenkins!---“when it used to beeeeeee so clear...).
Ergebnis: Gänsehaut pur, Nostalgie/Melancholie-pur, pures Spüren davon, wie unsagbar traurig ein eigentlich „alltäglicher“ Abschied von Liebgewonnenem sein kann. Plus eine Prise des unvermeidlichen „Früher wars besser!“, das zwar eine Platitüde ist, aber dem man sich am Ende doch nicht entziehen kann. Jedenfalls nicht, solange Sinatra singt.
Und – so geht’s mir jedenfalls – wenn man diesen Zeilen heute zuhört, der Geschichte vom „alten Team, das nicht mehr spielt“, und dem „neuen Team, das es kaum versucht“, dann gerät das Lied am Ende sogar zu einer Art Hommage an Sinatra selbst, an ihn und seine Zeit, die unwiderruflich vergangen ist...
© Bernhard Vogel für Sinatra – The Main Event, 2006
There Used To Be A Ballpark
Und es gab einmal einen Sportplatz,
wo die Rasenfläche warm und grün war,
und die Leute spielten ihre verrückten Spiele,
mit einer Hingabe, die ich bis dahin nirgendwo sonst gesehen hatte,
und die Luft war von solch wunderbarem Duft,
von den Bratwürsten und dem Bier...
Ja, es gab einmal einen Sportplatz, genau hier.
Und es gab einmal Kekse,
und den überwältigenden Vierten Juli,
mit den Feuerwerksraketen, die überall am Sommerhimmel explodierten,
und die Leute schauten voller Bewunderung zu,
was haben sie gelacht und wie haben sie sich gefreut...
(und) es gab einmal einen Sportplatz, genau hier.
Heute suchen die Kinder danach,
und sie trauen ihren Augen nicht,
denn die alte Mannschaft spielt nicht mehr,
und die neue Mannschaft versucht es fast gar nicht erst...
Und der Himmel hängt jetzt voller Wolken,
wo er doch früher immer so strahlend war,
und der Sommer ging so schnell vorbei
dieses Jahr...
Ja, es gab einmal einen Sportplatz.
Genau hier.
© Übersetzung: Bernhard Vogel für Sinatra - The Main Event
(1) REPRISE-Studioaufnahme vom 22.6.1973
aufgenommen in Hollywood, Goldwyn Studios
Arrangement: Gordon Jenkins
Orchester geleitet von Gordon Jenkins:
Vincent DeRosa, Richard Perissi, Arthur Maebe (Horn); Norman Benno (Oboe); Wayne Songer, Morris Crawford (Klarinette); Don Lodice (Tenorsaxophon); Louise DiTullio (Baßflöte); Harry Klee (Konzertflöte, Klarinette, Altsaxophon); Ralph Schaeffer, Mischa Russell, Harry Bluestone, Gerald Vinci, Nathan Ross, Joseph Livoti, Alex Murray, Albert Steinberg, Blanche Belnick, Joe Stepansky, Kurt Dieterle, Erno Neufeld, Harold Dicterow, Alfred Lustgarten, Arthur Brown, Marshall Sosson, Walter Edelstein, James Getzoff (Violine); Alex Neiman, Barbara Simons, Virginia Majewski, Allan Harshman, Myer Bello, Louis Kievman (Bratsche); Armand Kaproff, Justin Di Tullio, Edgar Lustgarten (Cello); Gayle Levant (Harfe); Bill Miller, Pete Jolly (Klavier); Alvin Casey, Al Viola, Dennis Budimir (Gitarre); Ray Brown, Peter Mercurio (Baß); John Guerin (Schlagzeug)
Erstveröffentlichung-Album/LP/CD: Ol’Blue Eyes Is Back (Reprise) (zuerst erschienen Sept.1973)
LP/CD: The Reprise Collection (4-CD-/6-LP-set, Reprise) CD 4/LP 6 (erschienen 20.11.1990)
CD: The Complete Reprise Studio Recordings (20-CD-Box, Reprise) CD 16 (erschienen Nov.1995)
(2) REPRISE-Liveaufnahme vom 8.4.1974
aufgenommen in New York City, Carnegie Hall
Arrangement: Gordon Jenkins
Orchester geleitet von Bill Miller
LP: Sinatra At Carnegie Hall (2-LP-set,. Reprise/test pressing) (offiziell unveröffentlicht)
22.06.1973 Studioaufnahme, Kalifornien, Hollywood, Los Angeles, Goldwyn Studios
03.04.1974 Probeaufnahme, Nevada, Las Vegas , Golden Nugget
08.04.1974 Konzert, New York, New York City, Carnegie Hall
09.04.1974 Konzert, New York, Uniondale , Nassau Coliseum
03.04.1987 Probeaufnahme, Nevada, Las Vegas , Golden Nugget
03.04.1987 Konzert, Nevada, Las Vegas , Golden Nugget
Main Event Infos (English version)
Frank Sinatra, renowned for his illustrious career in show business, announced his full retirement in the spring of 1971. However, his retirement was short-lived. By the early summer of 1973, Sinatra was back in the recording studio working on a new Reprise studio album. Initially titled "Let Me Try Again", the album was aptly renamed "Ol' Blue Eyes Is Back" and released in September 1973, reaching number 22 on the Billboard charts. Sinatra, already hailed as a singer of the century with his previous three decades of recordings, didn't need to "try" anything - the phrase "I'm back!" was a more accurate and honest depiction. Throughout his career, Sinatra never rested on his laurels. He was constantly propelled forward by a blend of general restlessness and an artistic desire for innovation. This combination laid the foundation for his unparalleled success across all genres and was evident in 1973 when his comeback album featured only songs written specifically for him or ones he had never sung before.
Sinatra placed immense trust in the then 36-year-old Joe Raposo (1937-1989), who composed five new songs for the comeback album (one of which, "The Hurt Doesn't Go Away", was excluded and only released as a single).
Raposo, the son of Portuguese immigrants, was raised in Massachusetts and graduated from Harvard College before immersing himself in the music industry. He found success arranging and composing for Broadway in New York and for film studios in Hollywood. He was also one of the founding fathers of the globally renowned children's television series "Sesame Street". Sinatra covered Raposo's song "(It Isn't Easy) Bein' Green" (1970), originally written for the Muppet character Kermit the Frog, on his Reprise album "Sinatra & Company" in the same year. Raposo, who received an Oscar nomination, won a total of five Grammys and an Emmy. He passed away from lymphoma at the young age of 52.
One of the songs that Raposo rewrote for Sinatra in 1973 was "There Used To Be A Ballpark". Sinatra recorded this song in June 1973. This recording, considered by even the most ardent critics of his comeback and his rougher voice (and by Sinatra fans worldwide) to be one of the best studio recordings Sinatra ever made.
The perfect blend of a new song, fresh lyrics from a young composer, and an arrangement by Sinatra's long-time collaborator Gordon Jenkins (1910-1984), who had made a name for himself with melancholic string ballads since the Capitol days, set the stage for Sinatra's recording session. All of this was under the supervision of producer Don Costa (1925-1983), who had been working with Sinatra since the early 1960s and had risen to the position of Sinatra's "house arranger" by the end of the decade, while also serving in the production department for FS.
From January 1974, Sinatra resumed his concert tours, with a notable performance at New York's Carnegie Hall on April 8, 1974. The audience was filled with many colleagues and stars, and the event was a benefit for the Variety Club. The evening's program included "There Used To Be A Ballpark" (Version #2), and the entire concert was recorded by Reprise Records, Sinatra's record label, with the intention of producing a 2-LP set from the evening. However, when the first test pressings were available, Sinatra vetoed the release. The recordings remain officially unreleased to this day, although some LP test pressings are in circulation. These show that Sinatra's concerns could not have been based on "There Used To Be A Ballpark", which he performs here with even more emphasis than in the studio recording.
Apart from the day after the Carnegie Hall concert at a performance at the Nassau Coliseum in Uniondale, New York, Frank Sinatra only performed the song live once more - 13 years later, in April 1987, at the "Golden Nugget" in Las Vegas.
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Jonathan Schwartz, a New York radio presenter and self-proclaimed Sinatra fan for decades, wrote in 1990 about Sinatra's studio recording, describing it as "strikingly metaphorical for Sinatra" - a fitting description indeed.
The song that Raposo wrote for Sinatra merges Sinatra's personal passion for sports (specifically baseball) with his talent for singing sad, melancholic songs, a strength that has been recognized since at least the 1950s. The setting is classic: the old stadium has been demolished, and the 'good old days' are now just a memory - a theme that couldn't be more "classic" in the tradition of ballads embodied by Sinatra. Jenkins' arrangement, showcasing his proven talent in classical music, is masterful (for example, the backdrop to "with the fireworks /exploding/ all across/ the summer sky"), and Sinatra's mature comeback voice, rougher in timbre but still unmistakably gliding on the melody, transforms the simplest images into lyrical paintings ("and the skyyyyyy has got so cloudyyyy" --- at this point, wonderfully "cloudy" string sound images come in Jenkins' arrangement! --- "when it used to beeeeeee so clear...).
The result is pure goosebumps, pure nostalgia/melancholy, and a pure sense of the unspeakable sadness of an "everyday" farewell to loved ones. Plus a touch of the inevitable "It used to be better!", a cliché that one can't escape in the end. At least not as long as Sinatra sings.
And – at least that's how I feel – when you listen to these lines today, the story of the "old team that no longer plays" and the "new team that hardly tries", the song ends up being a kind of homage to Sinatra himself, to him and his era, which is irrevocably over...
© Bernhard Vogel for Sinatra – The Main Event, 2006