The Main Event: Die Sinatra-Infothek seit 1999

There Used To Be A Ballpark

Titel

There Used To Be A Ballpark

Text & Musik

Musik & Text: Joe Raposo (1973)

Main Event Infos

  • Geschichte
  • Übersetzung
  • Diskographie

Seinen im Frühjahr 1971 verkündeten kompletten Rückzug vom Showgeschäft hat Frank Sinatra bekanntlich nicht lange durchgehalten – schon zwei Jahre später, im Frühsommer 1973, kam sein „Rückzug vom Rückzug“, als er mit den Aufnahmen für ein neues Reprise-Studioalbum begann, das zunächst den Titel „Let Me Try Again“ tragen sollte, dann aber unter der ungleich passenderen Überschrift „Ol’Blue Eyes Is Back“ im September 1973 herauskam und es bis auf Rang 22 in den Billboard-Charts brachte.. Passender war dieser erst im letzten Moment abgeänderte LP-Titel auch deswegen, weil The Voice, mit seinen vorherigen Aufnahmen aus drei Jahrzehnten bereits zu einem Jahrhundertsänger geworden, nichts mehr „versuchen“ mußte – „Ich bin wieder da!“ war die treffendere und ehrlichere Umschreibung. Denn zu keinem Zeitpunkt seiner Karriere hat sich Sinatra auf seinen Lorbeeren ausgeruht, immer trieb es ihn vorwärts, in einer Mischung aus allgemeiner Unruhe und künstlerischem Drang nach „Neuem“. Eine Mischung, die die Grundlage seines unvergleichlichen Erfolges über die „Sparten“ hinweg bildete – und die sich jetzt 1973 auch darin zeigte, daß er auf seinem Comeback-Album ausschließlich Stücke präsentierte, die neu für ihn geschrieben worden waren bzw. die er noch nie vorher gesungen hatte.

Das größte Vertrauen setzte Sinatra dabei in den damals 36jährigen Joe Raposo (1937-1989), der gleich fünf neue Lieder für das Comeback-Album komponierte (einer davon, „The Hurt Doesn’t Go Away“, blieb dann außen-vor und wurde nur als Single veröffentlicht).

Raposo war der Sohn portugiesischer Einwanderer und hatte, im US-Bundesstaat Massachusetts aufgewachsen, das Harvard College absolviert, bevor er sich ins Musikgeschäft stürzte. Er arrangierte und komponierte erfolgreich am New Yorker Broadway ebenso wie für die Filmstudios in Hollywood – und er war einer der „Gründerväter“ der weltweit bekannten Kinderfernsehserie „Sesame Street“ („Sesamstraße“). Das von ihm für den ‚Muppet‘-Frosch Kermie gemünzte „(It Isn’t Easy) Bein’Green“ (1970) hatte Sinatra noch im selben Jahr auf seinem Reprise-Album „Sinatra & Company“ gecovert. Raposo gewann außer einer Oscar-Nominierung insgesamt fünf Grammies und dazu einen Emmy (den Fernseh-Oscar). An Lymphdrüsenkrebs erkrankt, starb Raposo im Alter von nur 52 Jahren.

Zu den von Raposo 1973 für Sinatra neu geschriebenen und von The Voice im Juni 1973 eingespielten Liedern gehört „There Used To Be A Ballpark“ – eine Aufnahme (= Version #1), die selbst bei eingefleischten (oder selbsternannten) Kritikern seines damals durchaus heiß diskutierten Comebacks bzw. seiner in der „Auszeit“ rauer gewordenen Stimme (und darüber hinaus bei Sinatra-Freunden weltweit sowieso) mit zum Besten gezählt wird, das Frank Sinatra jemals im Studio aufgenommen hat.
Die „Mischung“ stimmte eben – ein neues Lied, ein neuer Text von einem Nachwuchskomponisten, gepaart mit einem Arrangement von Sinatras seit Capitol-Tagen gerade bei melancholischen Streicher-Balladen bewährtem langjährigen Weggefährten Gordon Jenkins (1910-1984), der auch das Orchester bei der Aufnahmesession leitete, und das alles unter der Produzenten-Ägide von Don Costa (1925-1983), der seit Anfang der Sechziger Jahre für Sinatra arbeitete und gegen Ende des Jahrzehnts zu Sinatras "Hausarrangeur" aufgestiegen, aber auch in der Produktionssparte für FS tätig war.

Ab Januar 1974 ging Sinatra dann auch wieder auf Konzertreisen, und ein erster Höhepunkt war sein Auftritt in der New Yorker Carnegie Hall am 8. April 1974, vor einem mit vielen Kollegen und Stars durchsetzten Publikum und (als Benefiz) zugunsten des Variety Club. Zum Programm des Abends zählte auch „There Used To Be A Ballpark“ (=Version #2), wie das gesamte Konzert aufgezeichnet von Reprise Records, Sinatras Plattenfirma, die aus dem Abend ein 2-LP-Set produzieren wollte. Als die ersten Testpressungen vorlagen, gabs aber ein ‚Veto‘ von Sinatra - die Aufnahmen sind bis heute offiziell unveröffentlicht geblieben, wenngleich einige der LP-Testpressungen kursieren. Sie zeigen, daß Sinatras Bedenken jedenfalls nicht auf „There Used To Be A Ballpark“ beruhen konnten, das er hier streckenweise sogar noch pointierter bringt als in der Studioaufnahme.

Außer am Tag nach dem Carnegie-Hall-Konzert bei einem Auftritt im Nassau Coliseum in Uniondale (US-Bundesstaat New York) hat Frank Sinatra das Lied dann nur noch ein einziges Mal live gesungen – 13 Jahre später, im April 1987, im „Golden Nugget“ in Las Vegas.

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Der New Yorker Radiomoderator Jonathan Schwartz, seit Jahrzehnten bekennender Sinatra-Fan und Gastgeber zahlloser Sendungen mit FS-Musik, schrieb 1990 über Sinatras Studioaufnahme, sie sei „strikingly metaphorical for Sinatra“ – und traf damit, nomen est omen, ins Schwarze.

Denn der Song, den Raposo für Sinatra schrieb, kombiniert Sinatras persönliche Begeisterung für den (Baseball-)Sport mit seiner spätestens seit den 50er Jahren bekannten Stärke im Singen trauriger, melancholischer Songs. Klassisch schon die Szenerie: Das alte Stadion ist abgerissen, und damit sind auch die ‘guten alten Zeiten’ nurmehr Erinnerung – “klassischer”, im Sinne der von Sinatra verkörperten Balladentradition, geht es eigentlich gar nicht mehr. Jenkins’ Arrangement – da zeigt sich sein auch auf dem Gebiet der klassischen Musik ausgewiesenes Talent - ist meisterhaft (zum Beispiel der Background zu “with the fireworks /exploding/ all across/ the summer sky”), und Sinatras gereifte Comeback-Stimme, im rauheren Timbre aber immer noch unverwechselbar auf der Melodie gleitend, verwandelt einfachste Bilder in lyrische Gemälde (“and the skyyyyyy has got so cloudyyyy” --- an dieser Stelle kommen wunderbar “wolkige” Streicher-Klangbilder im Arrangement von Jenkins!---“when it used to beeeeeee so clear...).
Ergebnis: Gänsehaut pur, Nostalgie/Melancholie-pur, pures Spüren davon, wie unsagbar traurig ein eigentlich „alltäglicher“ Abschied von Liebgewonnenem sein kann. Plus eine Prise des unvermeidlichen „Früher wars besser!“, das zwar eine Platitüde ist, aber dem man sich am Ende doch nicht entziehen kann. Jedenfalls nicht, solange Sinatra singt.

Und – so geht’s mir jedenfalls – wenn man diesen Zeilen heute zuhört, der Geschichte vom „alten Team, das nicht mehr spielt“, und dem „neuen Team, das es kaum versucht“, dann gerät das Lied am Ende sogar zu einer Art Hommage an Sinatra selbst, an ihn und seine Zeit, die unwiderruflich vergangen ist...

© Bernhard Vogel für Sinatra – The Main Event, 2006

There Used To Be A Ballpark

Und es gab einmal einen Sportplatz,
wo die Rasenfläche warm und grün war,
und die Leute spielten ihre verrückten Spiele,
mit einer Hingabe, die ich bis dahin nirgendwo sonst gesehen hatte,
und die Luft war von solch wunderbarem Duft,
von den Bratwürsten und dem Bier...
Ja, es gab einmal einen Sportplatz, genau hier.

Und es gab einmal Kekse,
und den überwältigenden Vierten Juli,
mit den Feuerwerksraketen, die überall am Sommerhimmel explodierten,
und die Leute schauten voller Bewunderung zu,
was haben sie gelacht und wie haben sie sich gefreut...
(und) es gab einmal einen Sportplatz, genau hier.

Heute suchen die Kinder danach,
und sie trauen ihren Augen nicht,
denn die alte Mannschaft spielt nicht mehr,
und die neue Mannschaft versucht es fast gar nicht erst...

Und der Himmel hängt jetzt voller Wolken,
wo er doch früher immer so strahlend war,
und der Sommer ging so schnell vorbei
dieses Jahr...
Ja, es gab einmal einen Sportplatz.
Genau hier.

© Übersetzung: Bernhard Vogel für Sinatra - The Main Event

(1) REPRISE-Studioaufnahme vom 22.6.1973
aufgenommen in Hollywood, Goldwyn Studios
Arrangement: Gordon Jenkins
Orchester geleitet von Gordon Jenkins:
Vincent DeRosa, Richard Perissi, Arthur Maebe (Horn); Norman Benno (Oboe); Wayne Songer, Morris Crawford (Klarinette); Don Lodice (Tenorsaxophon); Louise DiTullio (Baßflöte); Harry Klee (Konzertflöte, Klarinette, Altsaxophon); Ralph Schaeffer, Mischa Russell, Harry Bluestone, Gerald Vinci, Nathan Ross, Joseph Livoti, Alex Murray, Albert Steinberg, Blanche Belnick, Joe Stepansky, Kurt Dieterle, Erno Neufeld, Harold Dicterow, Alfred Lustgarten, Arthur Brown, Marshall Sosson, Walter Edelstein, James Getzoff (Violine); Alex Neiman, Barbara Simons, Virginia Majewski, Allan Harshman, Myer Bello, Louis Kievman (Bratsche); Armand Kaproff, Justin Di Tullio, Edgar Lustgarten (Cello); Gayle Levant (Harfe); Bill Miller, Pete Jolly (Klavier); Alvin Casey, Al Viola, Dennis Budimir (Gitarre); Ray Brown, Peter Mercurio (Baß); John Guerin (Schlagzeug)
Erstveröffentlichung-Album/LP/CD: Ol’Blue Eyes Is Back (Reprise) (zuerst erschienen Sept.1973)
LP/CD: The Reprise Collection (4-CD-/6-LP-set, Reprise) CD 4/LP 6 (erschienen 20.11.1990)
CD: The Complete Reprise Studio Recordings (20-CD-Box, Reprise) CD 16 (erschienen Nov.1995)

(2) REPRISE-Liveaufnahme vom 8.4.1974
aufgenommen in New York City, Carnegie Hall
Arrangement: Gordon Jenkins
Orchester geleitet von Bill Miller
LP: Sinatra At Carnegie Hall (2-LP-set,. Reprise/test pressing) (offiziell unveröffentlicht)

22.06.1973 Studioaufnahme, Kalifornien, Hollywood, Los Angeles, Goldwyn Studios
03.04.1974 Probeaufnahme, Nevada, Las Vegas , Golden Nugget
08.04.1974 Konzert, New York, New York City, Carnegie Hall
09.04.1974 Konzert, New York, Uniondale , Nassau Coliseum
03.04.1987 Probeaufnahme, Nevada, Las Vegas , Golden Nugget
03.04.1987 Konzert, Nevada, Las Vegas , Golden Nugget

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