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Somewhere My Love

Titel

Somewhere My Love

Text & Musik

Musik von Maurice Jarre (1965), Text von Paul Francis Webster (1966)

Main Event Infos

  • Geschichte
  • Übersetzung
  • Diskographie

Am 22. Dezember 1965, also vor etwa 40 Jahren, feierte M-G-M die nationale Premiere eines Filmes, der zu einem weltweiten Publikumserfolg wurde und dessen Name heute zumeist in einem Zug mit „Vom Winde verweht“ und „Ben Hur“ fällt: Die Rede ist von “Doktor Schiwago“ (Regie: David Lean), mit Omar Sharif und Julie Christie nebst vielen weiteren bekannten Stars in den Hauptrollen.

Die Verfilmung folgt dem einzigen Roman von Boris L. Pasternak (1890-1960), der in seinem 1956 fertiggestellten Buch seine Jugenderinnerungen an die russische Oktoberrevolution verarbeitete. Pasternak hatte sechs Jahre am Moskauer Konservatorium Musik studiert, dann aber das Fach gewechselt und sich der Philosophie zugewandt, einige Semester lang auch an der Universität Marburg an der Lahn. In den Zwanziger bis Vierziger Jahren veröffentlichte er vor allem Gedichtbände mit teilweise gesellschaftskritischer Lyrik, die ihn immer wieder in Schwierigkeiten mit dem stalinistischen Regime brachten. So fand Pasternak auch für „Doktor Schiwago“ keinen Verleger in der Sowjetunion, und sein Roman wurde erstmals 1957 in Italien veröffentlicht. Das Buch wurde zum internationalen Bestseller, und im Jahr darauf erhielt Pasternak dafür den Literaturnobelpreis (den er jedoch ausschlug). Es war also nur eine Frage der Zeit, bis Hollywood auf den Stoff aufmerksam wurde.

Bereits zu Beginn der Dreharbeiten wußte Regisseur David Lean, daß er den französischen Komponisten Maurice Jarre (*1924), der für die Musik zu Leans „Lawrence von Arabien“ (1962) mit seinem ersten Academy Award ausgezeichnet worden war, für den Soundtrack von „Doktor Schiwago“ gewinnen wollte. Das M-G-M Music Department sah das allerdings etwas anders und meinte, dass Jarre für „Wüste und Sand“ gut geeignet wäre, aber es bessere Komponisten für „Schnee und Russland“ gäbe. Lean setzte jedoch seinen Willen durch und wurde von Jarre zu den „Schiwago“-Sets in Spanien begleitet.

Maurice Jarre wurde am 13. September 1924 in Lyon geboren und erhielt auf Wunsch seines Vaters eine Ausbildung als Radiotechniker, ehe er mit 16 Jahren seine Liebe zur Musik entdeckte und später in Paris ein Musikstudium abschloß, bei dem er unter anderem von Arthur Honegger in Komposition unterrichtet wurde und sich eingehend mit russischer, indischer, südamerikanischer, arabischer und japanischer Musik beschäftigte. Nach zahlreichen Arbeiten für französische Theaterstücke und Filme sowie als Perkussionist und Keyboarder gelang Jarre 1962 mit „Lawrence von Arabien“ der internationale Durchbruch, und er erhielt Engagements für Hollywood-Produktionen.

David Leans ursprüngliche Absicht war es, Jarre einen Soundtrack schreiben zu lassen, der auf einer von ihm gern gehörten russischen Volksweise basierte, doch sechs Wochen vor den Aufnahme-Sessions stellte M-G-M fest, daß das vermeintliche traditionelle Musikstück sehr wohl urheberrechtlich geschützt war und es zu Problemen bei der weltweiten Veröffentlichung des Films kommen würde. Jarres Aufgabe war es nun, innerhalb dieser kurzen Zeit einen kompletten neuen Score zu schreiben, wozu erschwerend hinzukam, daß Lean eine Neigung zum Perfektionismus hatte und ihm Jarres Hauptthema erst beim vierten Anlauf „gut genug“ war.

Jarre stieß aber bald auf ein weiteres Problem: Um dem Thema das für den Film notwendige russische Flair zu verschaffen, war die Verwendung von Balalaika-Spielern notwendig, von denen es aber anscheinend in Hollywood keine gab und mit der Kooperation sowjetischer Ensembles bei dieser verhaßten Produktion war ohnehin nicht zu rechnen. So folgte der Komponist dem Tip eines Freundes und suchte eine russisch-orthodoxe Kirche auf, in der er einen hilfsbereiten Musiker fand, der ihm ein Ensemble von 24 Balalaika-Spielern zusammenstellte, die jedoch keine Noten lesen konnten und daher einzeln von Jarre instruiert werden mußten. Für die Aufnahmen stellte der Komponist das bislang größte für eine Hollywood-Produktion verwendete Orchester zusammen und spielte schließlich in zehn Sessions zwischen dem 26. November und 14. Dezember 1965 den gesamten Score ein.

Nach der Uraufführung wurde der Film von Kritikern zunächst verrissen, doch das Kinopublikum gab dem enttäuschten Lean recht, und „Doktor Schiwago“ wurde zu einem international Erfolg. Bei den 38. Academy Awards im April 1966 wurde Maurice Jarre mit einem Oscar für den besten Filmsoundtrack ausgezeichnet, und er konnte somit Hollywood-Veteran Alfred Newman (jener Komponist, der bislang die meisten Oscar-Nominierungen überhaupt erhalten hat) mit seiner Musik zu George Stevens „Die größte Geschichte aller Zeiten“ und Alex North mit „Michaelangelo – Inferno und Ekstase“ ausstechen.

Besonders eine Melodie beherrschte den Film, und die Ohren des Publikums: „Laras Theme“, als „Schiwago-Melodie“ heute auf der ganzen Welt bekannt. Nur wenige Wochen dauerte es, nachdem der Film in die Kinos gekommen war, bis auch ein englischer Text zu Jarres Musik geschrieben war – „Somewhere My Love“. Die schlichten Verse kleiden die Sehnsucht nach der fernen Liebe in das Bild der Sehnsucht nach dem baldigen Ende eines langen Winters, ein durchaus passend „russisches“ Bild also.

Der Text stammte von Paul Francis Webster (1907-1984), der gerade für „The Shadow Of Your Smile“ einen Grammy gewonnen und dazu ebenfalls einen Oscar eingeheimst hatte (das Lied ist Sinatra-Freunden auch aus dem „Sands“-Konzertalbum bekannt). Webster hatte als Tanzlehrer begonnen, bevor er 1941 mit „I Got It Bad (And That Ain’t Good)“, zu einer Melodie von Duke Ellington, seinen Durchbruch als Liedtexter hatte. Schon 1942 nahm Frank Sinatra, bei seiner allerersten Solo-Session, Websters „Lamplighter’s Serenade“ auf; 1964 folgten mit „Secret Love“ und „Love Is A Many-Splendoured Thing“ zwei weitere Webster-Songs in Sinatras Repertoire. Daneben hatte Webster auch mit „Black Coffee“ (Peggy Lee, 1950) einen Jazzstandard gelandet.

In der Version vom Orchester Ray Conniff und seinem Chor kletterte „Somewhere My Love“ im Sommer 1966 bis auf Platz 9 der Billboard-Charts, und rasch entstanden weitere Coverversionen, wobei die meisten den aus dem Film bekannten romantisch-balladesken Walzertakt beibehielten.

Als Frank Sinatra im Oktober 1966 seine neue Reprise-Single „That’s Life“ auf den Markt brachte und sich diese bald so gut verkaufte, daß man sich entschloß, rasch ein ganzes Album gleichen Titels zu produzieren, kam auch „Somewhere My Love“ in die Auswahl. Das Arrangement für Sinatra schrieb Ernie Freeman (1922-1981), und er setzte dabei, in scharfem Kontrast zum Tempo der Filmmelodie, auf einen recht flotten Swingrhythmus. Sinatra bastelte bei der Aufnahmesession im November 1966 relativ lange an dem Lied herum, Take 7 mit Intercut 4 fand schließlich den Weg auf das noch im selben Monat hastig auf den Markt geworfene Album. Insgesamt 61 Wochen blieb es in den Billboard-Charts und kletterte bis auf Rang #6. Es sollte im übrigen Sinatras einzige Beschäftigung mit dem Stück bleiben.

Neu war die Idee, aus dem Lied einen Swinger zu machen, freilich nicht – schon das Filmorchester hatte außer dem für den Soundtrack verwendeten Teil unter anderem auch eine Swing-Version eingespielt, die man heute auf der Soundtrack-CD hören kann, zu finden beispielsweise hier.

Viel Spaß mit Swingin’ Schiwago wünschen

Stefan Huber und Bernhard Vogel für Sinatra - The Main Event, 2006

Irgendwo, meine Liebe,
wird es Lieder zu singen geben,
obwohl der Schnee
die Hoffnungen des Frühlings bedeckt.

Irgendwo erblüht
ein Hügel in Grün und Gold,
und es gibt Träume,
soviel wie Dein Herz fassen kann.

Eines Tages
werden wir uns wiedersehen, meine Liebe,
eines Tages,
wenn der Frühling sich Bahn bricht.

Du wirst zu mir kommen
aus ferner Vergangenheit,
warm wie der Wind,
sanft wie der Kuß des Schnees.

Bis dahin, mein Schatz,
denk ab und zu an mich,
Gute Reise, meine Liebe,
bis Du wieder mir gehörst.

© Bernhard Vogel für Sinatra – The Main Event, 2006

REPRISE-Studioaufnahme vom 17.11.1966
aufgenommen in Hollywood, Western Recorders Studio 1 (take 7-intercut4)
Arrangement: Ernie Freeman
Orchester geleitet von Ernie Freeman:
Al Porcino, Anthony Terran, Oliver Mitchell, Cappy Lewis (Trompete); Lew McCreary, Dick Hyde, David Wells, Louis Blackburn (Posaune); Plas Johnson, Bill Green, Willie Schwartz, Andreas Kostelas, Chuck Gentry (Saxophon, Holzbläser); Sidney Sharp, Lennie Malarsky, William Kurasch, Ralph Schaeffer, Tibor Zelig, Arnold Belnick, Israel Baker, James Getzoff (Violine); Alex Neiman, Louis Kievman (Bratsche); Jesse Ehrlich, Elizabeth Greenschpoon (Cello); Bill Miller (Klavier); Michael Melvoin (E-Orgel); Louis Morell, Tommy Tedesco (Gitarre); Chuck Berghofer (Baß); Eddie Brackett Jr. (Schlagzeug); Emil Richards (Percussion)
Erstveröffentlichung-Album/LP/CD: That’s Life (Reprise) (zuerst erschienen November 1966
CD: The Complete Reprise Studio Recordings (20-CD-Box, Reprise) CD 11 (erschienen November 1995)

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